Gedanken zu Skalarzüchtungen

Hallo,
ich möchte diese Stelle nutzen um etwas über einen Fisch plaudern, der in jedem Zooladen in Massen angeboten wird.

Pterophyllum scalare (Lichtenstein 1823), im deutschen auch nur Skalar oder Segelflosser genannt, wird Tag täglich von Aquarianern gekauft.

Meist sieht man kleine Tiere in den Händlerbecken, nicht größer als ein altes Fünfmarkstück und die potenziellen Käufer sind fasziniert.
Niedlich sehen sie aus, wie sie mit ihrem runden Körper, den großen Augen und der langen, stolz und frech vom Körper abstehenden Beflossung neugierig an der Scheibe hin und her schwimmen , und uns genau zu beobachten scheinen.
Und welch schöne bunte Farbvarianten es doch gibt. Jene grauen, mit schwarzen Streifen versehenen Tiere (wildfarben) wirken für die meisten schon fast langweilig, wenn man sich die goldenen oder wunderschön bunt marmorierten ansieht. Da gibt es schwarz-weisse, einige mit orangenen Flecken, weiße, schwarze, ja sogar rote Skalare…
Es wird einem erklärt, das dieser Fisch ja ideal sei….er habe keine Ansprüche, passe sich der Beckengröße an und frißt alles Futter, was ihm geboten wird. Und billig ist er auch noch.

Hm…glaubt ihr das auch?
Dann laßt mich etwas von der Sicht der Fische erzählen und nicht des Händlers, vielleicht denkt Ihr später anders darüber…

Skalare kommen ursprünglich aus Südamerika, sind im Rio Xingu und Rio Negro in Brasilien, dem Rio Essequibo (Guyana), dem Amazonas nördlicher sowie südlicher Nebenflüsse von Guyana bis nach Peru weit verbreitet.
Es gibt unterschiedliche Wildformen, bekannt sind meist die Altumskalare, die neben ihrer beachtlichen Körperhöhe bis zu 30cm und einem sehr hohen Preis einen Liebhaberstatus erfüllen.
Die im Handel erhältlichen Zuchtformen bleiben meist kleiner, 15-20 cm Körperhöhe ist realistisch.

Doch zurück zu unseren Heimatgebiet dieser wunderschönen Fische.
Die Lebensräume sind unter anderem helle Flußbereiche, wo sie in Felsspalten stehen, jedoch meist sind es Uferböschungen, wo kaum Strömung herrscht, wenig Licht und auch meist keine Pflanzen zu finden sind. Durch Wurzelgeflecht von Uferpflanzen und Bäumen, abgebrochenen Ästen, welche ins Wasser fielen/ragen wird eine Landschaft geschaffen, die durch senkrechte Strukturen beherrscht wird. Hier können sich die Tiere wunderbar verstecken, die Längsstreifen auf ihrem Körper tragen noch dazu bei, das sie mit ihrer Umwelt verschmelzen.

Moment : Längsstreifen?

Aber unsere schönen, so leuchtenden Farbformen haben doch gar keine….na, sie brauchen sich ja auch nicht zu verstecken, denkt Ihr.
Leider jedoch sind sie nicht nur dazu gedacht, im Licht und Schattenspiel der Umgebung zu verschwinden. Mit diesen Streifen signalisieren Skalare untereinander auch ihre jeweilige Stimmung. Sie können sie verblassen, oder auch satt und dunkel leuchten lassen.
Sie kommunizieren.
Andere Skalare wissen dann, in welcher Stimmung das Tier ist, Aggressionen, Brutpflege, oder auch Balz können somit unterstrichen werden, neben dem körperlichen Gebaren durch Flossenaufstellen, Kopfschütteln, Laute oder Körperneigung.

Farbzuchten können sich nicht mehr so mitteilen, wie es ihnen von der Natur her vorgegeben ist.
Auch die Augen spielen dabei eine Rolle. Oft ist der Hinteraugenfleck nicht vorhanden, bzw. von Farben überlagert, so daß sie nicht in der Lage sind über diesen ein weiteres wichtiges Erkennungsmerkmal/ Stimmungsmerkmal einzusetzen.

Somit sind also diese bunten Formen, die goldenen, marmorierten und wie sie alle heißen “sprachbehindert”… gerade bei Rangkämpfen kann dies stark zum tragen kommen, denn die Tiere könne sich nicht durch Farbveränderungen unterwerfen.

Aber dies ist nicht alles. Auch Unwohlsein kann nicht mehr gezeigt werden. Viele Besitzer erzählen stolz, ihre Tiere strahlen in den schönsten Farben….ja, sie können meist auch gar nicht anders.
Ich habe die Erfahrung gemacht, das Farbformen sogar unter dem größten Streß in schönsten Farben neben ihren absolut blassen und schreckgefärbten, wildfarbenen Kollegen stehen.
Schlimm genug, daß sie sich untereinander nicht mehr so deutlich sagen können, was sie fühlen. Aber das sie es nicht einmal mehr ihrem Pfleger mitteilen können finde ich am schrecklichsten.
Stirbt das Tier, ist es dann “plötzlich und unerwartet, ohne vorherige Anzeichen”…

Der Pfleger….ja wo hält er diesen schönen Fisch? Was benötigt ein Skalar?
Da kursieren die wildesten Äußerungen, von einem 60 cm Becken an aufwärts.
Ich möchte da gar nicht weiter drauf eingehen, dies ist Tierquälerei, sondern gleich zu einer Tatsache kommen. 20 cm hoch werdende Tiere brauchen Platz. Dazu kommt noch, das sie ein Revierverhalten zeigen, welches gerade bei der Brutpflege sehr ausgebildet ist.
Ein Aquarium von 120 Kantenlänge, 60 cm Höhe und auch einer Mindesttiefe von 50 cm sollte gegeben sein für ein Paar, bei 2 Paaren sollte die Kantenlänge 160cm nicht unterschreiten, mehr wäre besser.
(Eine der größten Lügen ist, das sich der Fisch der Beckengröße anpasst. Dies ist absolut falsch. Kein Tier kann bewußt oder unbewußt seine Körpergröße steuern! Wenn sie klein bleiben, dann liegt das daran, daß sie z.B. falsch gehalten/ aufgezogen wurden/ werden und somit Mangelerscheinungen haben.
Eine Dogge wird auch eine Dogge, selbst wenn der Raum nur 2 qm hat…)

Denn unser Skalar, egal welcher Farbschlag, wird einmal erwachsen und wenn er/sie das Glück hatte sich in einer Gruppe zu befinden, dann kann er/sie sich auch einen Partner/in suchen. Meist jedoch werden nur zwei kleine Tiere gekauft und diese haben dann das gleiche Geschlecht.
Dabei brauchen Skalare Gesellschaft, gerade als Jungtiere ist dies unglaublich wichtig, um Verhaltensweisen zu erlernen, später gibt die Gruppe Schutz.
Die beiden Glücklichen wollen nun also Nachwuchs haben und suchen sich eine geeignete Stelle, meist senkrechte Blätter oder Schläuche, Röhren, ich habe schon die unmöglichsten Stellen gesehen, nichts ist denen zu fremd…*lach*
Sie legt Eier, er gleitet drüber um sie zu besamen. Dann wird das Gelege mit den Flossen befächelt, verpilzte Eier werden mit dem Maul herausgepickt.
Nach 24-36 h schlüpfen die Kleinen und werden dann an eine andere Stelle umgebettet. Oft sogar mehrmals.
4-5 Tage später schwimmen sie frei und müssen mit feinstem Lebendutter gefüttert werden, dazu eignen sich Pantoffeltiere und Artemianauplien.

Ihr habt es erkannt….die anderen Fische werden die Kleinen zum fressen gerne haben und um das zu verhindern schaffen sich die Eltern Platz. Sprich, sie vejagen alles, was auch nur in dem Umkreis der Kleinen gerät. Das kann einen Durchmesser von 80 cm haben, Sichtbarrieren durch hohe Pflanzen etc. vorrausgesetzt.
Salmler, Welse, niemand hat etwas zu lachen, mit anderen Skalaren können harte Kämpfe ausgefochten werden, vor allem, wenn diese auch noch Jungtiere haben.
In die Gruppe kehren sie erst wieder, wenn die Brutpflege beendet ist.

Für diese wunderschönen Buntbarsche geht es um das Überleben, das Fortbestehen ihrer Art.
Und sie laichen oftmals wöchentlich !

Ich möchte über die Aufzucht nicht schreiben, denn ich denke, viele sind schon bei der Pflege und bei den Haltungsbedingungen überfordert.
Ihr habt schon bemerkt, daß ich lediglich auf die Pflege, auf das wahre Gesicht dieser majestätischen Tiere hinweisen möchte.
Nicht jedoch, um sie als aggressive, ungeeignete Fische darzustellen, nein, ich hoffe, man bekommt einen Einblick in ihr natürliches Verhalten, ihrer Bedürfnisse, damit man ihnen auch ein geeignetes Aquarium anbieten kann.

Sie haben mehr verdient, als in kleinen, kargen Becken “aufbewahrt ” zu werden, meist nur mit Flockenfutter ernährt und falschen Wasserwerten.

Denn auch sie benötigen, um gesund zu wachsen und zu bleiben, abwechslungreiches Futter. Frostfutter, Lebendfutter sollte ihnen regelmäßig geboten werden.
Flockenfutter enthält viele Fette, und Skalare fressen gerne.
Meist leiden daher ihre Organe an der falschen Ernährung, verfetten sehr schnell.

Die Mär des Zooverkäufers, sie würden sich auch in hartem Wasser wohlfühlen… hatte er nicht auch erzählt, ein 60 oder 80 er AQ würde reichen? Fische passen sich der Umgebung an? *grübel*

Ganz wichtig ist, daß junge Skalare mehrfach am Tag in kleinen Mengen gefüttert werden müssen, denn sie stecken noch mitten im Wachstum und wenn sie nicht ausreichend zu Fressen bekommen, dann leidet der Körper unter einer Mangelernährung.
Zu wenig Futter und auch seltene Wasserwechsel führen meistens dazu, daß die Tiere nicht richtig auswachsen.
Das ist dann aber kein “anpassen”, sondern ein krankhafter Kümmerwuchs.

Ach, sorry, wir waren ja beim Wasser…^^

Skalare lieben weiches, saures Wasser.
PH 7
Kh 4
Gh 8
Temp. 26-29 Grad, kurzweilige Schwankungen über/unter den Werten sind in der Natur vorhanden und werden toleriert.

Leider ertragen sie auch härteres Wasser, vermehren sich auch dort oftmals, Nachzuchten scheinen einen größeren Toleranzbereich zu haben, aber ich persönlich orientiere mich immer an den Herkunftsgewässern. Diese weisen meist keine Härte auf, der Ph ist sauer.
Regelmäßige, wöchentliche Wasserwechsel von 30-40% sollten gegeben sein, es senkt den Keimdruck und auch hohe Nitratwerte. Torf, Erlenzäpfchen oder auch Seemandelbaumblätter und das trocken gewordenen Buchen/Eichenlaub unterstützen die Gesundheit und das Wohlbefinden.

Im Aquarium selber sollte man sich an die Biotope orientieren, dh. durch Pflanzen/Wurzeln senkrechte Strukturen entstehen lassen, die als Versteck und Rückzugsmöglichkeit dienen können.
Beifische dürfen nicht zu klein gewählt werden, denn der Skalar ist und bleibt ein Buntbarsch, der irgendwann doch mal auf den Gedanken kommen kann einen Mitbewohner zu kosten…und dann kann er auf den Geschmack kommen.
Andererseits sollen keine Flossenzupfenden Tiere mit im AQ sein, sie würden sonst an die wunderschönen Bauchfäden gehen und dem Skalar dadurch Schaden zufügen.

Diese Fische zu beobachten ist unglaublich interessant, ihr Sozialverhalten ausgesprochen lehrreich und wenn man ihnen den nötigen Platz verschafft, sind sie durchaus sehr verträglich.
Meine Tiere erkannten die unterschiedlichen Personen, wußten wer füttert und wer “nur “guckt und oftmals hatte ich das Gefühl, als würden sie mich studieren und nicht ich sie….*lach*

Ich hoffe ich habe einen kleinen Eindruck vermitteln können über die “Könige der Fische” und darüber, was ihnen als solche auch zusteht.
Denkt daran, falls Ihr das nächste mal in einem Zooladen seit und all die kleinen niedlich bunten Skalare seht und ein Zooverkäufer freudig grinsend auf Euch zukommt…
Könnt Ihr ihnen all das bieten wovon er nicht spricht?

Dann werdet ihr lange Freude an diesen wunderschönen Fischen haben… denn sie können locker 10-12 Jahre alt werden.

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